Erfahrungsbericht: Studieren mit Kind

Geschrieben am 26.11.2020
von Izabela Witkowska


Schwanger …

Als ich mit noch nicht einmal 17 Jahren den zweiten Strich auf dem Schwangerschaftstest gesehen habe, habe ich einfach gedacht: „Nee das kann ja nicht sein, den muss ich mir eingebildet haben.“ Dann habe ich den Test zur Seite gelegt und bin aus der Toilette gegangen.  Auf dem Flur kam dann eine Welle der Panik: „Aber was, wenn der zweite Strich keine Einbildung war?“. Also nochmal zurück, wieder auf das Plastikstäbchen starren. „Mama?! Kannst du vielleicht mal gucken …?“. 

 


…und jetzt?


Wie sich heraus stellte, war der zweite Strich keine Einbildung, sondern das erste Lebenszeichen meiner Tochter. Auf den positiven Test folgten einige Tage der Verzweiflung. Ich musste eine unmögliche Entscheidung treffen: Da war jetzt dieses potentielle Leben, das auch nicht einfach so wieder gehen würde, es sei denn, ich würde das so entscheiden. Könnte mein Leben denn nach einer Abtreibung wieder so werden, wie es mal war? Aber wie sollte ich all das, was ich noch vorhatte, machen, wenn ich ein Kind bekäme? Ich war doch grade kurz vor dem Abitur. Jetzt lag doch die Zeit der Freiheit vor mir, ich wollte mein Leben genießen, rausfinden, was ich überhaupt will. Das würde mit Kind ja wohl nicht gehen … Oder doch?

Ich entschied mich erstmal dazu, viele Gespräche mit Leuten zu führen, die mir einen Rat geben könnten.  Wie sich schnell herausstellte, konnte mir irgendwie niemand wirklich weiterhelfen. Schwanger mit 16, das kennt man von RTL2, aber nicht aus dem eigenen Umfeld. Es gab für mich kein einziges Vorbild, dass mir Hoffnung hätte geben können. 
Also überlegte ich selber: Was ist mir wichtig? Was brauche ich, damit das irgendwie klappt? Ich wusste, ich wollte mein Abi machen, ich wollte auf Reisen gehen und irgendwann studieren, also haben wir einen Plan gemacht, meine Mutter, mein Freund und ich.

Ich gebe zu: Die zwei Jahre, die darauf folgten, waren wirklich oft auch sehr hart. In der Woche in der meine SchulkameradInnen auf Abschlussfahrt waren, war ich im Wochenbett und in der Motto-Woche musste ich, statt zu feiern, daran denken, regelmäßig Milch abzupumpen.

Wir haben die Zeiten genau eingeteilt: Während ich in der Schule war, hat meine Mutter auf meine Tochter aufgepasst. In den Pausen hat meine Mutter mir das Baby zum Stillen in die Schule gebracht. Wenn ich nachhause kam, ist meine Mutter arbeiten gegangen. Gelernt habe ich, wenn mein Freund aus der Uni kam, oft auch nachts. Und dann habe ich es tatsächlich geschafft: Ich habe zeitgleich mit meinem Jahrgang Abitur gemacht und sogar die Abi-Rede gehalten. Ich glaube man sieht mir an, wie stolz ich war.

 


Wie es weiter ging


Wir springen in der Zeit: Ein Umzug, einige Fernreisen mit Kind und eine Pandemie inklusive Hochzeit und zweitem Kind später weiß ich: Alle meine Sorgen waren berechtigt. Und dennoch habe ich genau die richtige Entscheidung getroffen!

Ein Kind zu bekommen bedeutet - egal in welchem Alter - eine fundamentale Veränderung und ich finde es genauso bewundernswert, Verantwortung zu übernehmen und sich dagegen zu entscheiden, wenn man (Frau) sich dazu nicht bereit fühlt. 
Ich habe in den letzten Jahren Einiges opfern müssen. Das ist real und wenn man sehr jung Mutter wird, ist man mit dieser Realität oft sehr einsam.

Aber gleichzeitig weiß ich auch ganz genau, dass meine Töchter bei mir an genau dem richtigen Ort sind. Sie motivieren mich, ehrgeizig zu bleiben und ich finde es schön, dass sie bei meiner Entwicklung dabei sind und sehen, dass Lebenswege nicht gradlinig sein müssen, um gut zu sein.

 


Mein Alltag


Aktuell studiere ich Sozialwissenschaften im zweiten Semester. Ich besuche die Vorlesungen, wenn meine Kinder im Kindergarten sind oder nachmittags, wenn mein Freund zuhause ist. An zwei Tagen die Woche gehe ich zusätzlich noch kellnern im Café. 
Freizeit habe ich sogar auch manchmal, dann gehe ich gerne zum Yoga.  
Mein Alltag bedarf natürlich sehr viel Planung und ich muss mich sehr gut mit meinem Partner absprechen. Ich werde auch länger als sechs Semester für mein Studium brauchen, aber ich bin positiv überrascht, wie gut es gerade klappt.

Ich hätte mir vor fünf Jahren gewünscht, jemanden zu kennen, der oder die diesen Weg vor mir gegangen ist und wenn du in einer vergleichbaren Situation bist und Fragen zum Thema Abi oder Studium mit Kind hast, dann melde dich gerne beim Studienkompass. Wir können dann persönlich ganz in Ruhe sprechen!