Ich habe mich über 10 Jahre lang ehrenamtlich in der evangelischen Kirche engagiert. Was stellst du dir unter ehrenamtlichem Engagement in der Kirche vor? Einen wöchentlichen Bibel-Lese-Kreis? Zielgruppe Ü60? Jeden Sonntag in die Kirche gehen? Lass mich dir in diesem Bericht die vielfältigen Möglichkeiten des Engagements in der evangelischen Kirche nahebringen.
Wie ich dazu kam, mich ehrenamtlich in der evangelischen Kirche zu engagieren
Ich habe mich als Kind taufen lassen und bin, wie es für evangelisch getaufte Jugendliche üblich ist, zum Konfirmationsunterricht gegangen. Fast zwei Jahre später wurde ich konfirmiert. Mein „Konfiunterricht“ hatte zwei Besonderheiten: Er wurde nicht alleine von der Pfarrerin durchgeführt, sondern von bereits konfirmierten Jugendlichen, den sogenannten Teamerinnen bzw. Teamern, begleitet. Diese brachten ihre Ideen in die Gestaltung des Unterrichts mit ein, sodass dieser stets interaktiv und spaßig war. Sie waren für mich Identifikationsfiguren, weil einige von ihnen nur zwei bis vier Jahre älter waren als ich und den Konfiunterricht schon geschafft hatten.
Die zweite Besonderheit war eine einwöchige Fahrt für uns Konfirmandinnen und Konfirmanden, das „Konficamp“. Zusammen mit „Konfigruppen“ anderer Gemeinden aus dem Kirchenkreis haben wir eine Woche lang in einer Burg verbracht. Hier waren Teamerinnen und Teamer aus dem gesamten Kirchenkreis sowie weitere Ehrenamtliche. Sie waren für das Programm und die Organisation verantwortlich.Die Unterrichtseinheiten am Vormittag waren sehr lebensnah und behandelten Themen wie Geld, Liebe, Freundschaft und Trost. Nachmittags und abends gab es ein spaßiges Programm, bestehend aus Marktplätzen, Großgruppenspielen und sogar einer Disco. Neben der hauptamtlichen Leitung gab es eine große Gruppe Ehrenamtlicher, die diese Freizeit überhaupt erst ermöglichte. Ich war beeindruckt, dass andere Jugendliche und junge Erwachsene in ihrer Freizeit ein solch komplexes Programm organisierten. Das motivierte mich, mich ebenfalls ehrenamtlich einzubringen.
Was mir das ehrenamtliche Engagement gebracht hat
Ich habe durch mein ehrenamtliches Engagement eine Menge lernen können. Als Teamerin in der Arbeit mit den Konfirmandinnen und Konfirmanden habe ich meine Empathie gestärkt, weil ich mich ständig in die „Konfis“ hineinversetzt habe, um zu verstehen, was sie interessiert und wie ich den Unterricht so gestalten kann, dass sie etwas davon mitnehmen können. Besonders wertvoll war für mich zu lernen, über mich selbst zu lachen. In der Arbeit mit Jugendlichen passieren oft Missgeschicke und Unannehmlichkeiten. Mich in solchen Situationen nicht zu ernst zu nehmen, hat mir sehr geholfen, mit mehr Leichtigkeit durch mein Leben zu gehen und souverän zu bleiben. Als ich Teil des Organisationsteams des Konficamps wurde, lernte ich, was es bedeutet, gemeinschaftlich eine Großveranstaltung auf die Beine zu stellen. Von allen Mitgliedern war Initiative, Zuverlässigkeit und Gestaltungswille gefordert. Es ist sehr besonders, wenn man gemeinschaftlich an einem großen Projekt arbeitet und es erfolgreich umsetzt. Dieses starke Gemeinschaftsgefühl werde ich nie vergessen. Hier habe ich viel über Teamarbeit, kreatives Arbeiten und Organisation lernen können.
Ich ließ mich auf ein weiteres Engagement ein: Alle 1–2 Monate las ich im Gottesdienst das Evangelium vor. Hierbei lernte ich, laut, langsam, klar und deutlich zu sprechen, damit mich die Menschen im Gottesdienst gut verstehen konnten. Ich lernte zudem, dass es gut ist, aufgeregt zu sein: Es zeigt, dass man die Sache ernst nimmt und man sich besonders viel Mühe geben möchte. Das machte mich gelassener, vor Leuten zu sprechen.
Mit der Zeit wollte ich mich über meine Kirchengemeinde hinaus engagieren. Als ich volljährig war, wurde ich in den synodalen Jugendausschuss des Kirchenkreises gewählt. Zusammen mit sieben anderen ehrenamtlich engagierten jungen Erwachsenen sowie drei Hauptamtlichen arbeiteten wir gemeinsam an der Jugendarbeit des gesamten Kirchenkreises. Wir führten sogar Bewerbungsgespräche mit Bewerbenden für die freien Stellen in der Jugendarbeit und entschieden uns gemeinsam für die Besetzung. Auch entschieden wir, welche Gemeinden mit welchen Stundenkontingenten Jugendreferentinnen und -referenten zur Verbesserung der Jugendarbeit erhielten. Hier konnte ich mich in der Gesprächsführung und im gemeinschaftlichen Entscheiden üben. Außerdem brachten wir unsere Ideen für eine nachhaltige Jugendarbeit im Kirchenkreis ein und organisierten Veranstaltungen zu Themen, die die Jugendlichen bewegten. Sich einzubringen und mit seinen Entscheidungen etwas zu bewirken, hat meine Selbstwirksamkeit sehr gestärkt und ermutigt mich auch heute noch, gemeinsam etwas anzupacken und zu bewegen.
Weitere Möglichkeiten des Engagements
Wenn du gerne unter Menschen bist und mit Menschen arbeiten möchtest, ist kirchliches Engagement genau das Richtige für dich. Egal, welche Zielgruppe dich am meisten interessiert: Mit Kleinkindern in der Krabbelgruppe spielen, Kinder auf Freizeiten begleiten, jugendliche Konfirmandinnen und Konfirmanden stärken, mit Erwachsenen Entscheidungen treffen, ältere Menschen unterstützen – es gibt Angebote für Menschen jeden Alters. Wenn du dich einbringen möchtest, wirst du in der Regel mit offenen Armen empfangen – und das auch, wenn du gar nicht evangelisch bist. Wenn du dich auf kirchenpolitischer Ebene einbringen möchtest, so gibt es verschiedene Gremien, in die du gewählt werden kannst – sei es in der Gemeinde, auf Kirchenkreis- oder Landesebene. Jede Kirche macht andere Angebote, sodass die Möglichkeiten des Engagements sehr vielseitig sind. Ich habe während meines Engagements in der evangelischen Kirche echte Gemeinschaft, Hands-on-Mentalität, Gestaltungswillen und Selbstwirksamkeit erlebt und kann das Ehrenamt zur persönlichen Weiterentwicklung uneingeschränkt empfehlen.