Das Jugendalter ist eine intensive Zeit: Der Körper verändert sich, das Gehirn entwickelt sich, Zukunftsfragen sind groß und dann ist da noch Social Media. Dort scheinen alle schöner, erfolgreicher und glücklicher zu sein. Das führt zu Vergleichen, die Druck auslösen können. Hinzu kommt der Leistungsdruck in der Schule, oft kombiniert mit Unsicherheiten in der Familie, dem Freundeskreis oder mit der eigenen Identitätsfindung. Über die Hälfte der psychischen Erkrankungen entstehen bereits im Kinder- und Jugendalter. Aber was ist eigentlich „psychische Gesundheit“?
Dazu haben wir mit der Psychologiestudentin Lara gesprochen. Sie arbeitet als Workshopleitung bei Kopfsachen e.V. und fördert durch verschiedene Workshops an Schulen (für Schülerinnen, Schüler und auch Lehrkräfte) die Grundlagen der psychischen Gesundheit. Sie bezieht sich bei der Beantwortung der Frage auf die Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Psychisch gesund ist nicht nur, wer keine Diagnose hat. Es geht ums Wohlbefinden. Darum, dass man seinen Alltag meistern und an der Gesellschaft teilhaben kann. Psychische Gesundheit ist kein Zustand, den man einmal erreicht und dann abhakt. Sie ist ein stetiges Thema und sie betrifft uns alle. Psychische Belastungen können jede und jeden treffen. Sie sind Teil menschlicher Erfahrungen. Wer das versteht, kann besser mit ihnen umgehen – bei sich selbst und bei anderen.
Noch immer trauen sich viele nicht, über ihre psychische Gesundheit zu sprechen. Warum eigentlich? Einen Gipsarm sieht man, Depressionen nicht. Und wer in einer Gesellschaft lebt, die ständig Leistung fordert, denkt schnell: Ich bin das Problem. Aber das stimmt nicht. Psychische Erkrankungen sind real und behandelbar. Reden hilft. Nicht immer, nicht sofort– aber es ist ein Anfang. Und jedes Gespräch trägt dazu bei, Vorurteile abzubauen. Sprich gerne über deine persönlichen Erfahrungen, wenn du dich damit wohlfühlst. Dadurch kannst du anderen Möglichkeitsräume aufzeigen.
Wenn du gerade kämpfst, dann sei dir sicher: Du bist nicht allein. Hilfe zu holen, ist kein Zeichen von Schwäche – es ist ein Zeichen von Mut. Und: Es darf dir besser gehen. Du darfst dir Zeit nehmen. Du darfst du selbst sein, mit allem, was dazugehört.
Der erste Schritt ist, Gefühle ernst zu nehmen. Nicht jeder schlechte Tag ist gleich eine Depression. Aber wenn das Tief nicht mehr aufhört, wenn du dich ständig erschöpft, traurig oder leer fühlst, dann ist es Zeit, Hilfe zu holen. Das kann ein Gespräch mit Freundinnen und Freunden oder Familie sein. Oder mit einer neutralen Person, etwa einer Schulsozialarbeiterin, einem Schulsozialarbeiter oder einer Beratungsstelle. Es gibt auch niedrigschwellige, anonyme Angebote wie die „Nummer gegen Kummer“ oder den „Krisenchat“. Der erste Schritt muss nicht perfekt sein – er sollte nur passieren.
Ein weiteres Hilfsangebot ist die Psychotherapie. Viele stellen sich darunter eine Couch und viele Fragen vor. Tatsächlich gibt es verschiedenste Therapieformen, aber meistens geht es erstmal ums Kennenlernen und Verstehen: Was belastet mich? Woher kommt das? Was möchte ich verändern? Therapie kann helfen, Gedanken neu zu sortieren oder eingefahrene Glaubenssätze zu hinterfragen. Sie ersetzt keine Freundschaften, aber sie ergänzt das, was ein privates Gespräch oft nicht leisten kann, denn die Therapie ist eine professionelle Behandlung. Die Wartezeit auf einen festen Therapieplatz kann länger dauern. Das Erstgespräch muss dir innerhalb von 4 Wochen angeboten werden. Bei der Suche nach Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten kann dir die Telefonnummer 116 117 helfen.
Auch im Alltag kannst du etwas für deine psychische Gesundheit tun:
- Gönne dir Pausen, gerne ohne Bildschirm.
- Bewege dich – Sport, Spaziergang, Tanzen.
- Finde etwas, das dir gut tut – Musik, Kochen, Malen.
- Atme bewusst – ja, das klingt banal, hilft aber wirklich.
- Verbringe Zeit mit Menschen, die dir guttun.
Wenn du merkst, dass es einer Freundin oder einem Freund nicht mehr gut geht, kann es helfen, in Ich-Botschaften zu kommunizieren, dass du dir Sorgen machst. Wenn man größere Herausforderungen wahrnimmt, kannst du dich mit dem Verweis auf professionelle Angebote abgrenzen. Hier sind ein paar hilfreiche Adressen und Kontakte, wenn es dir selbst und/oder Bekannten/Freundinnen und Freunden nicht gut geht:
- Nummer gegen Kummer: 116 111 (kostenfrei, anonym)
- Krisenchat: www.krisenchat.de
- Schulsozialarbeit, Schulpsychologinnen und -psychologen und/oder Vertrauenslehrkräfte vor Ort
- Beratungsstellen für Jugendliche (z. B. Caritas, Pro Familia, Jugendämter)
- Psychotherapiesuche über die Kassenärztliche Vereinigung: www.116117.de
- (Potenzielle) Workshops zur mentalen Gesundheit an deiner Schule: Kopfsachen e. V. – Mentale Gesundheit macht Schule
- Hier kannst du mit psychologischem (oder pädagogischem) Studienhintergrund selbst als Workshopleitung mitwirken! Wenn du Interesse hast, schaue gerne auf der Webseite von Kopfsachen vorbei. Kopfsachen ist mittlerweile an fünf Standorten in Deutschland vertreten und immer auf der Suche nach motivierten und engagierten Köpfen.
- Schau gerne auf der Website, ob Kopfsachen schon in deiner Stadt vertreten ist!